Feld und Flur

... jetzt haben alle Ortschaften ihre "Gemeinheiten" geteilt und ihre Äcker verkoppelt. So große Vorteile für den Wohlstand diese Einrichtung unzweifelhaft hat, so ist doch infolge derselben ein gutes Stück landschaftlicher Schönheit verloren gegangen. Die rot- und schwarzbunten Kuhherden, die langsam weidend thalauf und ab zogen und mittags unter einer Gruppe alter Weiden behaglich widerkäuend, rasteten; die vielen Schafherden, welche im Herbste unter Glockengeläut die nun einsamer gewordenen Stoppelfelder absuchten; die Scharen freilaufender Gänse, die von barfüßigen Mädchen mit roten Lappen am Stocke nur mühsam zusammengehalten wurden: das und vieles andere fehlt jetzt auf dem sonst so vielvielfarbigen Bilde, und dieses bekommt dadurch fast etwas Starres und Totes...

Mit dieser etwas romatischen Betrachtung hat Friedrich Günther in seinem Buch "Der Ambergau" zurück geblickt in eine Zeit der ersten Hälfte des 19ten Jahrhunderts. Sein Buch erschien 1887 zu einer Zeit wo man sich noch gut an die Zeiten vor der Verkoppelung und Gemeinheitsteilung erinnern konnte. Zeiten in denen die Ackerflächen in endlos wirkende schmalen Streifen geteilt waren, um die von Pferden oder Ochsen gezogenen Gespanne möglichst selten umdrehen (wenden) zu müssen. Und Zeiten in denen Hirten die Schaf- und Kuhherden des Ortes auf abgeerteten Äckern und der Gemeinschaft gehörenden Wiesen weiden ließen.

Unter der Verkoppelung und Gemeinheitsteilung versteht man die Neuaufteilung der bestehenden Ackerflächen. Durch Zusammenlegung mehrerer kleinerer Ackerstreifen (der Verkoppelung) entstanden dem Fortschritt entsprechende, größere Ackerflächen und durch die Aufteilung der gemeinsamen Wiesen und Anger (die Gemeindheitsteilung) wurde Allgemeinbesitz unter den örtlichen Grundbesitzern aufgeteilt. Einher ging dies alles mit einer Neuanlage von Wegen und Gräben, um möglichst rechteckige Stücke zu erhalten.

So sind die uns heute bekannten Grenzen von Feldern und wenig übrig geblieben Wiesen entstanden und es lässt sich nur erahnen wie idyllisch sich aus heutiger (aber eben auch schon aus 1887er) Sicht die Landschaft zeitlich davor darstellte. Geblieben sind Namen, die über Jahrhunderte weiter getragen und im Sottrumer Receß von 1865, der das Verfahren der Verkopplung und Gemeinheitsteilung vertraglich festhielt, erstmals in Gänze niedergeschrieben wurden. Teil des Receß war die Vermessung und Kartierung der Landschaft, die für Sottrum in den Jahren 1856 - 1859 stattfand. Diese Karte befindet sich heute im Landesmuseum in Hannover wie auch eine zweite, noch ältere Karten aus dem Jahr 1825. Diese ältere Karte wurde auch schon einmal zu dem Zwecke bzw. einem Versuch eine Verkoppelung/Gemeinheitsteilung durchzuführen angefertigt. Als kleinen Auszug und Beispiel ist hier ein Bereich dargestellt, der 1825 noch Ackerland war und heute zur bebauten Ortslage gehört.

 
Auszug aus einer Karte von Sottrum 1825 (Grafik: Niedersächsischen Landesarchiv - Ausschnitt aus h_ha_kartensammlung_nr._259_1_m)

Auf dem Kartenausschnitt ist die heutige "Sottrumer Straße" zwischen St. Andreas Kirche und Zehntscheune dargestellt, die damals "Obere Weg" genannt wurde. "Obere" wohl als Gegenstück zur "Wasserstraße", die im unteren Dorf entlang führte. Als Flurbezeichnung ist der Bereich, der heute die Straßen "Über der Kirche" und "An der Zehntscheune" umfasst, als "Oben dem Wege" benannt. Der Acker ist in schmale Streifen geteilt; hinter den Buchstabenbezeichnungen steht der jeweilige Eigentümer. Dabei wurde die Vergabe der Buchstaben entsprechend der Stellung und Hofgröße vollzogen. Das große "A" steht für den Derneburger Grafen zu Münster, das kleine "a" für die Klosterkammer, "b" für den Halbspänner Gottfried Welge, usw. Im Namenverzeichnis von 1825 sind insgesammt 77 Namen aufgeführt - nach dem Buchstaben "z" wird mit "aa", "ab" usw. forgefahren. Nach dem Grafen zu Münster, der Kosterkammer und den Vollspännern (auch Ackermänner genannt) folgen Halb- und Viertelspänner, die Groß- bzw. Doppelköther (-Kotsassen) , gefolgt von der größten Gruppe, den Köther (Kotsassen). Danach kamen die Halbköther, die Brinksitzer, die Anbauer und die Abbauer. Am Ende standen noch weitere Namen, die wir heute als juristische Personen bezeichnen würden wie z. B. die Gemeinde Sottrum, die ev. Kirche gefolgt von Auswärtigen aus Holle und Hackenstedt.

Die Wiese bzw. der Anger "Im Viehlager" ist in der Karte noch als Gemeinheitsstück dargestellt, das allen Grundbesitzer gemeinsam gehörte bzw. von diesen genutzt wurde. Im Rahmen der Gemeindheitsteilung wurde der Anger in 10 Teile aufgeteilt. Der davon heute noch verbliebene Acker- und Wiesenbereich am Ortseingang trägt auch heute noch den Namen "Viehlager". Der Name lässt darauf schließen, dass es sich damals um einen eingezäunten Weidebereich handelte, auf dem die Herden "gelagert" werden konnten.

Wie diese beiden Beispiele gibt es noch eine Vielzahl von Flurbezeichnungen, die teils verändert teils wie überliefert heute noch gebräuchlich sind. Die Sottrumer Feldmark reicht von der Nette im Osten bis kurz vor Hackenstedt im Westen und von der Herrenmühle im Süden bis zum Hagen kurz vor Derneburg im Norden. Den Ursprung einiger Namen kann man relativ gut herleiten, bei anderen fällt dies nach heutigen Erkenntnissen eher schwer.

Drei Beipiele für Namen, die heute in den Karten zu finden sind:

1. Auf dem Beekefelde

Dieser Acker liegt von Sottrum nach Hackenstedt fahrend rechter Hand zwischen dem heutigen Ruhwald und den Forellenteichen. Ein Blick auf die alten Bezeichnung zeigt, wo der Name herstammt und zeigt aber auch, dass der heutige Name "Auf dem ..." nur bedingt korrekt ist. 1825 wird der Bereich "Zwischen den Bächen" und 1859 "Zwischen den Beeken" genannt. Es handelt sich historisch gesehen also um den Acker zwischen den Bächen. Im Westen grenzt der seinerzeit schon "Forellenbach" genannte Bach und im Osten der Bach im heutigen Ruhwald den Acker ein. Der Acker liegt zwischen diesen beiden Bächen, die beide in den Bohbach/Thiebach münden und den Acker in Richtung Süden begrenzt.

2. Steinwiese

Die Steinwiese, die heute zum größten Teil zu Ackerland umgebrochen ist, befindet sich zwischen Nette und Ortslage Sottrum, auf Höhe der Grundstücke Martin-Luther-Str. 2, Wasserstraße 11 und Thiebachstraße 1. Der Name rührt aber nicht, wie man vermuten könnte, von einer steinigen Wiese her, sondern von dem Hof an dem die Wiesen angrenzten. Die heutigen Grundstücke Wasserstraße 11 und Thiebachstraße 1 waren im 18ten und Anfang des 19ten Jahrhundert, zumindest zu Großteilen, im Besitz einer Familie Stein. Die "Steinwiese" wird demnach die Wiese hinter "Steins" Hof sein.
Ähnlich verhält es sich mit der Bezeichnung "Ruhs Wiesen" die im angrenzenden Bereich zwischen der gegenüberliegenden Thiebachseite und der Straße zum Wohldenberg zu finden ist. Hier handelt es sich um die Wiesen hinter "Ruhs" Hof, die heutige Gärtnerei Bartels. Der alte Name "Ruhs Wiesen" findet sich heute jedoch nicht mehr.

3. Armenhausfeld

Als "Armenhausfeld" wird heute eine Ackerfläche oberhalb der Zehntscheune benannt. In alten Karten finden sich in diesem Bereich, um und oberhalb der Zehntscheune, gleich mehrere Namen, die die Bezeichnung "Armenhaus" beinhalten. Neben "Armhus Feld" zum Beispiel auch "Armhausgarten" und "Unter dem Armenhaushayn". Es lässt sich also folgern, dass es ein Armenhaus gab, das neben Ackerflächen auch über einen Garten und Wald (Hayn) verfügte. Vermutlich wird es sich um einen Anbau an die Zehntscheune gehandelt haben, wie er auch noch 1825 dargestellt wurde. Da das Recht am sog. Zehnten das Kloster in Derneburg inne hatte und dieses sicherlich auch die Zehntscheune gebaut hat, wird das Kloster auch Betreiber des Armenhauses gewesen sein.

Neben der Bezeichnung einzelner Ackerflächen existiert der Name "Armhaus Feld" darüber hinaus auch als Name für einen von drei übergeordneten Ackerbereichen. Die anderen beiden sind das "Rehbeeks Feld" und das "Südwiesen Feld". Vermutlich ist diese Dreiteilung auf die praktizierte Dreifelderwirtschaft zurück zu führen, bei der nach einem Jahr Wintergetreide und ein Jahr Sommergetreide ein Brachjahr folgte.

Die folgende Grafik zeigt auf Basis unserer heutigen Karte mit den in schwarzer Schrift enthalten Flurnamen die Flurnamen wie sie 1825 (rot) und 1859 (blau) verzeichnet sind. Durch Klick auf die Grafik öffnet sich diese in einem separaten Fenster.


Flurnamen in der Sottrumer Feldmark heute (schwarz), 1825 (rot) und 1859 (blau) (Grafik: auf Basis der Niedersächsischen Umweltkarte www.umwelt.niedersachsen.de)

 
 
 Detlef Adelhelm

 

 

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