Burg Wohldenbruch

In einer Karte der Feldmark Sottrum aus dem Jahr 1859 (Abb. 1), die im Rahmen der Verkoppelung und dem 1865 final geschlossenen Rezess erstellt wurde, wird an der südöstlichen Spitze der Gemarkung Sottrum, vor der Herrenmühle gelegen, eine Fläche als "Das Bruch" bezeichnet. Dieser Flurname ist bis heute in amtlichen Karten verzeichnet. In diesem "Bruch" ist eine zweite Bezeichnung, ein zweiter Name vermerkt, und dieser lautet "Burgstelle"! Wenn auch nicht schriftlich, so hat sich bei uns in Sottrum bei Alteingesessenen, insbesondere den Landwirten, die Bezeichnung "Burg" für die betreffende Ackerfläche erhalten.


Abb. 1: Auszug aus einer Karte der Gemarkung Sottrum 1856-1859 (nicht genordet)
(Grafik: Niedersächsisches Landesarchiv - Ausschnitt aus h_hstah_22_i_agr._nr._88_)

 

Die Burg: Ihr neuzeitlicher Entdecker und ihr mittelalterlicher Erbauer

In seinem 1887 erschienenen Buch "Der Ambergau" hat der damalige Schulinspekteur Friedrich GÜNTHER ein eigenes Kapitel einer Burg Wohldenbruch gewidmet1. Er war bei seinen Recherchen zu den Wohldenberger Grafen darauf gestoßen, dass einer dieser Grafen, ein Lüdeger II., sich ab dem Jahr 1195 als Graf von Waldenbruck bzw. von Waldenbroke/Waldenbroken bezeichnet hat. Waldenbruck und Waldenbroke/Waldenbrocken wiederum ist heute als Wohldenbruch zu lesen. GÜNTHER zufolge ist die Bezeichnung "Bruch" ganz eindeutig nicht mit "Berg" zu verwechseln. Es handelt sich beidermaßen um Lagebezeichnungen, bei der "Bruch", als feuchtes, sumpfiges Gebiet in einer Niederung, im genauen Gegensatz zu "Berg" steht. Auf Grund der Vielzahl von urkundlichen Erwähnungen in denen Graf Lüdeger entsprechend bezeichnet wurde, ist eine Verwechselung oder ein Schreibfehler auszuschließen. Hinzu kommt, dass Lüdeger II. zu Zeiten als seine Vetter - die Grafen von Wohldenberg - die politische Seite, weg von den Welfen unter Heinrich dem Löwen hin zu den Staufern unter Friedrich Barbarossa, gewechselt hatten, weiterhin treu zum Braunschweiger Heinrich dem Löwen und seinem Sohn Otto stand. Das zwei derart zerstrittene Lager ein und die selbe Burg Wohldenberg bewohnten ist wohl auszuschließen.

Diese Burg Wohldenbruch hat GÜNTHER an der Stelle der Gemarkung Sottrum entdeckt, die damals und heute noch als "Burg" bezeichnet wird. GÜNTHER selbst hat mit dem damaligen Besitzer, dem Landwirt Strueß2 aus Sottrum gesprochen, der die Fläche im Jahr 1858 übernommen hatte. Der Landwirt berichtete, dass er von der Fläche 50 bis 60 Kubikmeter Mauersteine abfahren lies und Jahre später noch einmal 180 Kubikmeter Kalksteine und Mörtel entfernte. Die Burgstelle muss also noch im 19ten Jahrhundert den Charakter einer Ruine gehabt haben und kann land- oder viehwirtschaftlich kaum nutzbar gewesen sein. Die Flurstückgrenzen in der oben genannten Karte untermauern diese Annahme. Dem Bericht von Landwirt Strueß zufolge waren bei der Freilegung der Fundamente die einzelnen Räume erkennbar und es wurden Bruchstücke von achteckigen Säulen sowie andere Artefakte gefunden. Zahlreiche Schlacken in der Anlage ließen GÜNTHER vermuten, dass die Burg durch Feuer zerstört wurde.

Die Herrenmühle, in unmittelbarer Nähe zur Burgstelle, führt ihren heutigen Namen weil sie früher die Mühle der Herren - der Herren vom Wohldenberg - war. GÜNTHER führt in seinem Buch einen Beweis an, dass noch drei Jahrhunderte nach der Nennung Graf Lüdegers von Wohldenbruch, die heute als Herrenmühle bezeichnete Wassermühle als Wohldenbrokesmühle (Wohldenbruchsmühle) in einer Urkunde benannt wurde. Wenn nicht schon zuvor, werden die Wohldenberger (vom Berg) nach der Zerstörung der Burg Wohldenbruch die Mühle weiter als ihre Mühle betrieben haben.

Da sich nach Lüdeger II., der vermutlich 1203 oder 1206 verstarb, kein anderer Adeliger mehr nach der Burg Wohldenbruch benannte und auch nicht als Erbe Lüdegers Erwähnung findet, schließt GÜNTHER, dass die Burg vermutlich noch zu Lebzeiten Lüdegers zerstört wurde. Seine Vermutung, dass dies im Zusammenhang mit dem Deutschen Thronstreit steht erscheint plausibel. In dieser Auseinandersetzung standen sich einige Jahre nach Heinrich und Friedrich wiederum Welfen und Staufer gegenüber. Streitpunkt war die römisch-deutsche Krone. In einem Machtvakuum wurden Otto IV. von Braunschweig, Sohn des Sachsenherzogs Heinrich dem Löwen, und Philipp von Schwaben quasi zeitgleich zu römisch-deutschen Königen erhoben. Im Zuge der militärischen Auseinandersetzungen soll Philipp dabei auch durch das Nettetal gezogen sein und GÜNTHER vermutet, dass dabei die Burg des Welfenanhängers Lüdeger zerstört und niedergebrannt wurde. Lüdeger II. hatte nach heutigen Erkenntnissen keine Nachkommen - sein Zweig der Wohldenberger Grafen endete nach Ludolf I. und Ludolf II. in der dritten Generation des Hauses Wöltingerode-Wohldenberg.

Die Analysen und Recherchen des Friedrich GÜNTHERs und seine Folgerungen daraus erscheinen noch heute, 135 Jahre später, als vollkommen schlüssig und vollständig. Ihm gilt die Ehre als Entdecker der Burg Wohldenbruch bezeichnet zu werden. Andere Schriftsteller wie PETKE3 bauen auf den Erkenntnissen von GÜNTHER auf, ohne inhaltlich etwas dazu fügen zu können.

Lüdeger II. wird ein Wappen auf dem bekannten Quedlinburger Wappenkasten zugeschrieben4. Auf diesem Kasten sind 31 Wappen in Schildform sowie zwei Ritter auf Pferden mit Wappen dargestellt. Es wird vermutet, dass er in den ersten Jahren des 13ten Jahrhunderts entstand. An zentraler Stelle steht das Wappen von König Otto IV.  Einer der beiden dargestellten Reiter soll einen der Brüder Hermann oder Heinrich von Wohldenberg darstellen - ihr Wappen stellt einen schrägen Turnierkragen dar. Das Wappen, das Lüdeger (Vetter von Heinrich und Hermann) zugeschrieben wird, zeigt zwei waagerechte Turnierkragen, der untere mit drei und der obere mit fünf Lätzen5. Es ist auffällig, dass alle anderen Adelshäuser nur einmal mit einem Wappen auf dem Kasten vertreten sind. Ausschließlich den Wohldenbergern sollen Zwei zugeschrieben werden. Warum? Schlüssig wäre wenn hier eben nicht Lüdeger von Wohldenberg sondern Lüdeger von Wohldenbruch mit seinem Wappen dargestellt wurde.

 

Sottrumer Nachforschungen

Ernst JAHN6 war von 1931 bis in die 50er Jahre Lehrer der damaligen Dorfschule in Sottrum. 1952 begann er eine Dorfchronik zu verfassen. Darin hat er auch ein Kapitel der Burg Wohldenbruch gewidmet. Weitestgehend wurde dabei aber aus dem Buch von GÜNTHER zitiert. Er beschreibt jedoch ganz beiläufig die Lage der Burgstelle im Jahr 1952, was aus heutiger Sicht durchaus interessant ist: "Augenblicklich ist das Gelände noch gut zu erkennen, weil auf dem Grundstück geackert wird, während rundherum Wiese liegt. Die Wiese hat zu diesem Burgplatz Gefälle, der Burgplatz liegt höher." Das unterste Nettetal war also noch zu der Zeit nahezu vollständig Wiesenlandschaft und nicht wie heute fast ausschließlich Ackerland. Zudem fügt er in seinen letzten beiden Absätzen noch ergänzend etwas hinzu (Abb. 2):


Abb. 2: Auszug aus der Chronik der Gemeinde Sottrum6

Nach Ernst Jahn gab und gibt es immer wieder Sottrumer Geschichtsinteressierte, die sich mit der Burg beschäftigen. Die überlieferte Bezeichnung Burg, die markante Erhöhung in der Niederung, GÜNTHERS Buch und nicht zuletzt die existierenden Gemarkungskarten geben jeder Generation wieder Anlass dazu. Bereits 2009 sind auf im Internet verfügbaren Luftbildern, eindeutige Bewuchsmerkmale im Bereich der Burg festgestellt worden. Und in einer 2019 vom LGLN veröffentlichten Aufnahme (Abb. 3) waren diese sog. negativen Bewuchsmerkmale derart scharf und detailreich, dass man Wälle, Mauern und Gebäude nahezu exakt erkennen konnte - die Begeisterung war enorm. Ganz offensichtlich hat der Landwirt Strueß vor 150 Jahren die Fundamente nicht vollständig entfernen können, so dass im Untergrund noch Reste davon vorhanden sind, in deren Bereichen die Vegetation etwas gestört wird.


Abb. 3: Luftaufnahme 2019 mit Umriss der Burg Wohldenbruch
(Foto: Landesamt für Geoinformation und Landesvermessung Niedersachsen (LGLN) - über www.umweltkarten-niedersachsen.de)

Die Burg Wohldenbruch wurde auf einer vermutlich natürlichen (ggf. eiszeitlichen) Anhöhe erbaut und folgt mit ihren Abmessungen und Ausrichtung genau dieser, 1- 1,5 Meter über dem umliegenden Talniveau liegenden, "Insel". Sie misst ca. 100 Meter in geneigter Ost-West-Strecke und 60 Meter in geneigter Nord-Süd-Strecke. Vermutlich hatte die ovale Anlage von Nordosten aus ihren Hauptzugang. Diese Seite zeigt direkt in Richtung Herrenmühle, die wie oben beschrieben eventuell schon zur Zeit der Burg als Wohldenbruchsmühle bestand. Ein dort erkennbar in die Ringmauer eingebrachtes Gebäude könnte als Tor/Torhaus gedeutet werden. Nördlich von innen an die Ringmauer angelehnt scheinen mehrere Gebäude gestanden zu haben. Freistehend im Innenbereich der Burg sind weitere rechteckige Strukturen zu erkennen. Eine Unterteilung bzw. Trennung in Vor- und Hauptburg lässt sich nicht ohne Zweifel erkennen. Im Südwesten liegt eine große fast quadratischer Bebauung mit ca. 22 Meter Kantenlänge von innen an die Ringmauer angelehnt. Im Inneren dieser Bebauung liegt wiederum ein ca. 11 x 11 Meter messendes Gebäude - evtl. ein Turm/Bergfried, der mit zusätzlichem Graben und Mauer umgeben war. Die gesamte Ringmauer scheint ebenfalls mit einem Graben sowie einem Wall und/oder Mauer zusätzlich gesichert gewesen zu sein. Eine ca. 15 x 30 Meter große Struktur, die den südwestlichen Abschluss der Anlage darstellt, ist bemerkenswert, da sie offensichtlich von außen, im "ungeschützten" Bereich an die Ringmauer angrenzt. Dass die Burg von einem Wassergraben umringt wurde, lässt sich nur vermuten, die Lage in der Niederung mit dem angrenzenden Fluss lässt diese Vermutung aber durchaus zu. In den Karten des 19ten Jahrhunderts (Abb. 1) sind noch umlaufende kleine Gräben erkennbar, die erst im Rahmen der Verkoppelung und einhergehender Flurbereinigung zu den jetzt existierenden Grabenverläufen begradigt wurden.

 

Das Baumaterial

Fest steht, dass es sich bei der Burg Wohldenbruch um eine durchaus große Anlage des Mittelalters gehandelt hat, die in weiten Teilen aus Stein erbaut war. Die umfangreiche Zahl an Steinen für den Bau wurde sicherlich aus möglichst kurzer Distanz heran geschafft. Auf der gegenüberliegenden Flussseite nördlich des Weges gelegen, der in früheren Zeiten vom Wohldenberg durch das Waldstück Gehenberg direkt zur Mühle führte, liegt ein keiner Steinbruch. Dieser konnte aber nicht die Mengen an Steine liefern, die für ein derartiges Bauvorhaben benötigt wurden. Hingegen befand sich am Hang des Königsbergs, westlich der Burgstelle gelegen, in früheren Zeiten ein sehr großer Steinbruch in der Gemarkung Sottrum, der keine 900 Meter weit entfernt war. In den Karten des 19ten Jahrhunderts ist Dieser noch eingezeichnet, wurde irgendwann danach aber offensichtlich vollständig verfüllt, so dass der heutigen Ackerfläche ihre Vergangenheit nicht mehr anzusehen ist. Dass die Steine der Burg Wohldenbruch hier gebrochen wurden bleibt aber nur eine Vermutung.

Gleiches gilt für den möglichen Verbleib des Materials. Steine waren früher ganz unabhängig davon, ob sie neu gebrochen oder aus einem Abriss stammten, wertvolles Baumaterial und wurden daher wenn irgend möglich wieder verwendet - aus heutiger Sicht die perfekte Nachhaltigkeit. Die Burg wurde vermutlich zu Beginn des 13ten Jahrhunderts zerstört. Alte Kalk- und Sandsteine finden sich heute in zahlreichen Mauern und Gebäuden unserer Umgebung wieder. Es kann gut sein, dass die zerstörte Burg auf Abruch verkauft wurde. Es kann sein, dass sie in größeren Objekten wie dem Rittergut Henneckenrode oder dem Kloster Derneburg eine neue Verwendung fanden. Genauso kann eine Wiederverwendung auf dem Wohldenberg selbst denkbar sein. Zeitlich passt zudem der Bau und die Erweiterung der Sottrumer Dorfkirche (heute Martin-Luther-Kirche (Abb. 4)). Dendrochronologischen Untersuchungen zufolge wurde der Turm der Kirche um das Jahr 1290 erbaut. Die Ostwand des Turms wurde dabei auf die Westwand eines bestehendes Kirchenschiffs aufgesetzt. Eine Verwendung der Burgsteine für das ursprüngliche Kirchenschiff und/oder die Turmerweiterung sind zumindest zeitlich denkbar. In der Nordost-Ecke des Turmes wurde dabei auf halber Höhe ein besonderer Stein verbaut, bei dem es sich laut Gutachten aus dem Jahr 2008 vermutlich um eine romanische Bauplastik handelt7.

Martin-Luther-Kirche
Abb. 4: Martin-Luther-Kirche Sottrum

 

Metalldetektorbegehung

Bei mir persönlich mündete vor einigen Jahren das Interesse an dieser Burg darin, die Fläche einmal mit einem Metalldetektor begehen zu wollen. Da dieses Hobby in Niedersachsen nicht ohne weiteres erlaubt ist, musste eine entsprechende Genehmigung bei der unteren Denkmalschutzbehörde des Landkreises, für die wiederum ein Lehrgang beim Landesamt für Denkmalpflege Voraussetzung ist, eingeholt werden. Was hier in einem kurzen Satz beschrieben ist hat in meinem Fall 2 Jahre und 7 Monate gedauert - manche Dinge dauern eben. Im Sommer 2021 war es aber soweit und eine erste Begehung konnte stattfinden. Es fanden sich diverse Artefakte, die auf den ersten Blick auch mittelalterlich erschienen und die von mir als Fundmeldung an das Landesamt gemeldet wurden:

  • ein Schreibgriffel der sog. Harzer Gruppe, der seinerzeit dazu diente in Wachs zu schreiben
  • eine Nadelbüchse, eine verzierte Blechröhre in der vermutlich (Haar-/Gewand-) Nadeln aufbewahrt wurden
  • ein Leuchterfuß
  • scheibenförmige, vergoldete Beschläge
  • diverse Fragmente vergoldeter (Schild-)Beschläge
  • diverse Teile von Pferdegeschirr darunter
  • ein vergoldeter Turnieranhänger
  • verschiedene Schnallen darunter
  • eine Zierschnalle mit Silbergranulat


Abb. 5: Auswahl mittelalterlicher Funde der Begehung 2021
(Foto: Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege)

Eine Begehung 2022 brachte noch einmal über 50 Funde zu Tage, darunter:

  • eine Silbermünze, ein Denar aus dem Erzbistum Köln mit dem Bild von Erzbischof Adolf I., der zwischen 1193 und 1205 geprägt wurde
  • weitere Schnallen und Beschläge sowie
  • zahlreiche Objekte deren Bestimmung noch aussteht

Die Silbermünze (Abb. 6) passt zeitlich ganz exakt in das von GÜNTHER beschriebene Bild und bestätigt seine Annahmen. Auch wenn es vermutlich nur ein Zufall ist, aber beim Blick in die Geschichtsbücher dennoch bemerkenswert, dass der auf der Münze dargestellt Adolf I., Erzbischof von Köln ein Unterstützer des oben erwähnten Otto IV. von Braunschweig war und sogar der Bischof, der den Welfen Otto am 9. Juni 1198 zum römisch-deutschen König krönte. Otto IV. war bis 1218 deutscher König und wurde 1209, nach der Ermordung seines Widersachers Philipp von Schwaben, darüber hinaus vom Papst zum Kaiser des römisch-deutschen Reiches gekrönt, was er bis zu seinem Tod 1218 blieb.


Abb. 6: Denar, Erzbistum Köln, Bild Erzbischof Adolf I., Prägung 1193-1205

 

Die Entdeckung einer 850 Jahre alten Burg - oder war sie gar nicht verschwunden?

Die Luftaufnahme von 2019 hat auch außerhalb von Sottrum für Aufsehen gesorgt. Der ehrenamtliche Archäologe Herrn Heinz-Dieter Freese hatte er auf der Aufnahme zu Beginn des Jahres 2021 direkt eine Burganlage erkannt, ohne dabei GÜNTHERs Werk oder sonstige Kenntnis von der Burg zu haben. Seine Recherchen ergaben, dass diese Burgstelle offensichtlich in keiner aktuellen Datenbank zu Denkmälern und Burgen geführt wurde. Beim Landkreis und Landesamt wurde in der Folge die Burgstelle als die sensationelle Neuentdeckung gefeiert. 

Das diese Burg in keinen modernen Verzeichnissen enthalten ist, ist vollkommen unverständlich aber nicht das Versäumnis der aktuellen Mitarbeiter und Archäologen sondern vorhergehender Generationen in den Ämtern. Vor dem Hintergrund, dass in diversen Bücher die Burgstelle teils mit genauer Lage und ihrem geschichtlichen Hintergrund bereits aufgearbeitet ist, kann es sich aber nicht um eine Neuentdeckung handeln. Herrn Freese ist zu verdanken, dass ein Burgenexperte die Luftaufnahme bewertet hat und dass eine erste Rekonstruktionszeichnung der Burg erstellt wurde (Hildesheimer Allgemeine Zeitung vom 02.09.2022).

 

Wie geht es weiter

Unserer Archäologie und Burgenforschung war diese Burg bislang also nicht bekannt. Die vermeintliche Neuentdeckung scheint aber nicht nur aus Ihrer Sicht etwas sehr besonderes zu sein. Vermutlich hat die Burg nur wenige Jahrzehnte bestanden, nach Fertigstellung vielleicht sogar nur wenige Jahre. Auch wenn sich im Untergrund nur Reste der einstigen Fundamente wiederfinden und dazwischen einige Artefakte, so handelt es sich vermutlich um ein weitestgehend ungestörtes Beispiel einer Niederungsburg wie man sie zum Ende des 12ten Jahrhunderts erbaut hat. Die allermeisten Burgen wurden über Jahrhunderte erweitert, zerstört, wieder aufgebaut, abgerissen und umgebaut. Die Reste der Burg Wohldenbruch sind eine Art Zeitkapsel, die es noch zu entdecken gilt.

Die ersten Veröffentlichungen in der Tagespresse haben viele Stimmen hervor gebracht, die die abenteuerlichsten Nachteile und Folgen für den Eigentümer und Landwirt beschrien. Die Archäologie hat in der Tat einen vermeintlich negativen Ruf in unserer Bevölkerung - leider. Nicht Jede(r) interessiert sich für die Geschichte und erfreut sich an Veröffentlichungen zu unserer Vergangenheit, schon gar nicht wenn die Gefahr besteht, dass diese auf seinem/ihrem Grund und Boden liegen. Bauherren, ob privat, geschäftlich oder öffentlich werden zunehmend denkmalrechtliche Auflagen auferlegt, die zeitliche Verzögerungen und Kosten mit sich bringen können. Wie bei allen Baumaßnahmen in Niedersachsen gilt aber auch im Fall der Burg Wohldenbruch das Verursacherprinzip. Wer ein Haus baut ist der Verursacher. Wer eine Baugrube aushebt muss für mögliche archäologische Untersuchungen und Sicherungsmaßnahmen in der Regel die Kosten tragen. Eigentum verpflichtet ist ein bekannter und auch hier zutreffender Ausdruck. Das archäologische Kulturerbe würde durch die Überbauung unwiederbringlich zerstört werden. Es gilt diese Denkmäler einerseits zu sichern und zu bewahren bzw. sie für die nachfolgenden Generationen zu archivieren.

Der Landwirt bearbeitet seinen Acker wie die letzten 150 Jahre zuvor und hebt eben keine Baugrube aus. Wenn das Landesamt für Denkmalpflege weitere Untersuchungen, evtl. sogar Grabungen durchführen möchte, ist das Landesamt der Verursacher und muss die Kosten tragen. Auf "durchführen möchte" liegt hierbei zudem die Betonung. Jede Art von Untersuchung kann nur in Abstimmung und mit Zustimmung des Eigentümers erfolgen. Sollte es hierbei zu Schäden wie z. B. einem Ernteausfall kommen erhält der Landwirt eine entsprechende Entschädigung.

Die Fundstelle liegt in der Zuständigkeit des Nds. Landesamtes für Denkmalpflege, Abteilung Archäologie. Herr Dr. Messal als verantwortlicher Bezirksarchäologe koordiniert die Aktivitäten. Neben den Begehungen mit dem Metalldetektor 2021/22 wurde im Juli 2022 eine geomagnetische Untersuchung des Erdreichs vorgenommen (Abb. 7). Hierbei erhält man ein Bild wie magnetisierbar das Erdreich ist. In der Regel können hierdurch Erdverfüllungen, Fundamente und andere Veränderungen im Boden sichtbar gemacht werden ohne in den Boden eingreifen zu müssen. Untersuchungsergebnisse hierzu wurden bislang noch nicht veröffentlicht. Ob und wenn was für weiterführende Untersuchungen folgen bleibt abzuwarten.

 
Abb. 7: Geomagnetische Untersuchung der Burgstelle 2022
(Foto: Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege)

Abschließend möchte ich noch anmerken, dass ich mich sehr freuen würde wenn die Burg tatsächlich weiter erforscht wird und hoffe, dass Eigentümer und zuständige Behörden einen für alle gangbaren Weg hierfür finden. Für Sottrum, für unsere Gemeinde und weit darüber hinaus, ist dieses Bodendenkmal etwas ganz Besonderes. Allein die Zeit und der Zusammenhang zu den großen Personen unserer Geschichte mit Friedrich Barbarossa, Heinrich dem Löwen, Richard Löwenherz sowie deren nachfolgenden Generationen begeistert zumindest mich.

Detlef Adelhelm


1 Friedrich Günther, Der Ambergau, Hannover 1887, S. 184-186

2 Es wird sich hier entweder um den im Rezess als Doppelkothsasse aufgeführten Carl Strueß gehandelt haben, der zur Zeit seiner Hochzeit 1842, Ortsvorsteher in Sottrum gewesen ist und die Hofstelle Sottrum Nr. 36, heute Hoher Weg Nr. 15, besaß. Eventuell hat Friedrich Günther aber auch schon mit einem seiner Söhne, Carl jun. oder Heinrich, gesprochen, da Carl Strueß sen. bereits 1871 verstorben ist. Ernst JAHN schrieb 1952 hierzu: "Der Vater des jetzigen Besitzers dieses Burggrundstückes und Besitzer von Hs Nr. 36, Heinrich Strueß hat 1860 etwa 50 - 60 cbm....". Heinrich Strueß war ebenfalls Ortsvorsteher in Sottrum. Auf dem Ehrenmal vom Krieg 1870/71 ist er neben zwei seiner Brüder, von denen einer gefallen ist, als schwer verwundet aufgeführt.

3 Wolfgang Petke, Die Grafen von Wöltingerode-Wohldenberg, Hildesheim 1971, S. 63 - 65 u. 418-427

4 Dietrich Kötzsche, Der Quedlinburger Schatz wieder vereint, Berlin 1992, S. 81-84

5 Der Turnierkragen wird in der Heraldik (Wappenforschung) unter anderem auch als Brücke bezeichnet und stellt eine stilisierte, seitliche Brückenansicht dar. Die „Brückenpfeiler“ werden dabei als Lätze bezeichnet.

6 Ernst Jahn, Chronik der Gemeinde Sottrum, Sottrum 1952, S. 197-198

7 Thilo Saueressig, Amt für Bau- und Kunstpflege Hildesheim der Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers, Dendrochronologische Baualtersbestimmung / Baugeschichte der Kirche, 2009

 
Weitere Veröffentlichungen:

FAN-Post des Freundeskreis für Archäologie in Niedersachsen, Heinz-Dieter Freese, Eine neue Burg im Ambergau, 2022, S. 20–21
Archäologie in Deutschland, Sebastian Messal und Friedrich-Wilhelm Wulf, Burg im Acker, 4/2022, S. 58
Hildesheimer Allgemeine Zeitung, Andrea Hempen, Sensationeller Fund: Archäologen entdecken alte Burg im Landkreis Hildesheim, 11.08.2022
Hildesheimer Allgemeine Zeitung, Andrea Hempen, Nach Sensationsfund bei Sottrum: Entdecker berichtet und ordnet neue Zeichnung ein, 02.09.2022