Martin-Luther-Kirche

Wann genau die erste Kirche in Sottrum erbaut wurde lässt sich nicht feststellen. Evtl. hat vor der ersten steinernen Kirche aber bereits ein Holzgebäude an der Stelle gestanden, das wiederrum vermutlich an der Stelle eines zuvor heidnisch-germanischen Kultortes erbaut wurde, wie es zur Zeit der Christianisierung üblich war.

Fest steht aber, dass um 1288 ein Deckenbalken des Kirchenturms unserer heutigen Martin-Luther-Kirche gefällt wurde. Ein zweiter Deckenbalken wurde laut dedrochronologischem Gutachten von 2009 im Jahr 1292 gefällt. Unter Berücksichtigung der seinerzeit üblichen Ablagerung von Bauholz kann man so davon ausgehen, dass spätestens 1290 mit dem Bau den Turmes begonnen wurde.

Dabei wurde die östliche Wand des Turms auf eine zuvor bestehende Wand aufgesetzt was deutlich am Mauerwerk zu erkennen ist. Es ist also davon auszugehen, dass bereits zuvor eine Kirche bestand. Zu diesem älteren Bauabschnitt, auf dem der Turm aufsetzt, gehören auch noch Teile der bestehende Nord- und Südwand. Die Abmessungen dieses alten romanischen Kirchenschiffes betrugen ca. 16 m (Nordsüdstrecke) mal 8,5 m in der Breite. Der Eingang erfolgte wohl über die Westseite durch eine rundbogige Tür die noch heute im Mauerwerk vorhanden ist und vom Kirchenschiff in den Turm führt. Die Wandhöhe war etwas niedriger als heute. Die Ostwand existiert nicht mehr, da um 1380 der Chor angebaut wurde. Wie die Ostwand zuvor ausgebildet war und ob evtl. eine Apsis (halbkreisförmiger Anbau) vorhanden war, lässt sich ohne weitere archäologische Untersuchungen wohl nicht feststellen.

Ob diese Kirchenerweiterung auf den Besitzwechsel von den Wohldenberger Grafen hin zum Bischof von Hildesheim zurückzuführen ist, ist Spekulation – diese zeitliche Auffälligkeit sei aber trotzdem erwähnt.

Um 1420 gab es größere Baumaßnahmen am Dachtragwerk des Kirchenschiffes, das sich durch Altersbestimmung der Balken und die Einbausituation belegen lässt. Vermutlich stammen aus dieser Zeit auch die mittelalterlichen Wandmalereien, von denen heute ein Teilbereich an der Innenseite der Südwand freigelegt und restauriert zu betrachten ist.

1602 wurden am Tumdach arbeiten durchgeführt in deren Zusammenhang auch der Abschlußsstein des Südgiebels neu gesetzt wurden, der diese Jahreszahl trägt.

Nach schriftlichen Überlieferungen wurde kurz nach dem 30järigen Krieg, also nach 1648, das Gewölbe über dem Chor wegen Baufälligkeit abgerissen. In diesem Zusammenhang mussten wieder Arbeiten und Änderungen am Dachstuhl des Schiffes durchgeführt werden.

In der Mitte des 18ten Jahrhunderts erfolgte der baroke Umbau des Innenbereich der Kirche.

2008-2009 wurde aufgrund von Feuchte- und Holzwurmschäden das Dach des Kirchenschiffes sowie die Lehmdecke erneuert.

Im Jahr 2018 wurde die vermutlich aus dem Jahr 1863 stammende Kirchentür restauriert.

Glocken

Die große Läuteglocke der Martin-Luther-Kirche trägt die Jahreszahl 1526 und wurde demnach in diesem Jahr gegossen. Im Zuge des Einbaus wurde auch der Glockenstuhl erneuert/gebaut.

Die Glocke trägt die Inschrift:

Anno dni MCCCCCXXVI
Vivos voco – defunctos plango – daemones fugo – fulgura frango – vocor Maria
Übersetzt heißt dies:
Im Jahre des Herrn 1526, die Lebenden rufe ich – die Toten beklage ich – die Dämonen vertreibe ich – die Blitze breche ich – Maria heiße ich

Sie misst im unteren Durchmesser 1,10 m und wiegt ca. 800 kg.

Sie trägt weiterhin Bilder der Madonna und des heiligen Dionysius, der 285 als erster Bischof von Paris den Märtyrertod erlitten hat.

Die kleine Läuteglocke stammt aus dem Jahr 1797, sie hat einen Durchmesser von 95 cm und wiegt ca. 550 kg. Dies Glocke wurde sowohl im ersten als auch im zweiten Weltkrieg ausgehoben und musste zu geplanten Kriegszwecken abgegeben werden. Beide male kam sie aber unversehrt wieder zurück. Auf ihr ist noch heute die aus Kriegzeiten stammende Beschriftung zu erkennen, die die Glocke als sog. B-Glocke klassifizierte.

Die schmucklose stählerne Schlagglocke, die in der von außen sichtbaren westlichen Dachgaube aufgehängt ist, stammt aus dem Jahr 1919. Die ursprüngliche Glocke musste im  1. Weltkrieg ebenfalls abgegeben werden und kam leider nicht zurück. Der Ersatz wurde von der Glockengießerei Weule in Bockenem gefertigt und kostete seinerzeit 565 Mark. Sie hat einen Durchmesser von 58 cm und wiegt ca. 120 kg.

 

Altar und Innenraum

Der Altar stammt vermutlich aus dem Jahr 1745, zumindest trägt das heutige Altarkeuz, das früher an der Kanzel angebracht war, diese Jahreszahl. Ursprünglich war die Kanzel, die heute neben dem Altar steht, oberhalb des Altartisches in den Altar eingebunden. Fotos aus der Zeit vor den Weltkriegen zeigen noch den ursprünglichen Zustand.



Foto: Altarraum um 1910er (Foto: Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege)

Zeitlich nach dem Altar wurde die Bretterdecke erstellt und im barockem Stiel bemalt. Nachdem 1925 und 1961 die Decke schon einmal restauriert und dabei übermalt wurde, wurde sie im Zuge der Kirchdacherneuerung 2008/09 noch einmal restauriert, um die ursprüngliche Malerei wieder zum Vorschein zu bringen. Details zu der Restaurierung können auf der folgenden Seite nachgelesen werden: http://www.wengerstiftung.de/sottrum.html

Dem Kirchbuch ist zu entnehmen, das im Juni 1749 das erste Kinde aus dem neuen Taufengel getauft wurde. Dort ist vermerkt "Dies Kind ist das Erste, das Bey den Engel unserer Kirchen getauffet ist". Der Taufengel wurde durch den 1883, wohl zum 400. Geburtstag von Martin Luther, angeschafften Taufstein verdrängt. Mit dem Abschluss der Kichendach und -deckensanierung 2009 wurde der Taufengel wieder im Altarraum montiert und in Betrieb genommen. Der Taufstein wurde in den Raum unter die Empore versetzt und wird seitdem nicht mehr genutzt.

Der aus Messing gefertigte Kronleuchter wurde 1787 zur Erinnerung an einen Verstorbenen gestiftet.

Die heutige Orgel stammt aus dem Jahr 1882, wobei die Orgelpfeifen 1917 im 1. Weltkrieg eingezogen und eingeschmolzen wurden. Sie wurden 1926 durch die jetzigen ersetzt. Schon vor 1882 verfügte die Kirche über eine Orgel, die unter Pastor Hoffmann begonnen und 1734 vollendet wurde, was zu diese Zeit für eine so kleine Gemeinde durchaus bewerkenswert war.

Kirchhof

Einleitend zitiere ich den seinerzeitigen Oberreg.- und Oberbaurat Gensel aus seinem Reisebericht im Jahr 1941:

"...die Kirche ist, auch abgesehen von der größtenteils trotz mancher Beeinträchtigung durch neue Arbeiten sehr wertvollen inneren Ausstattung, auch im Äußeren von ungewöhnlich reizvoller Eigenart und ein hochwertiges heimatliches Baudenkmal, das monumental und malerisch zugleich ist. Sie bedarf deshalb sorgsamen Schutzes gegen jede Beeinträchtigung ... das überaus reizvolle Gesamtbild von Kirche und Kirchenplatz mit der schlichten, niedrigen Einfriedungsmauer an der Straße, der mächtigen alten Linde vor der Kirche und der ruhigen Grünfläche rings um sie ist eines der schönsten mir bekannten heimatlichen Bilder in weitem Umkreis..."

Der Kirchhof ist auch noch heute geprägt von der mehrere Jahrhunderte alten Linde und der alten Sandsteinmauer an der Wasserstraße. Der Kirchhof war früher einmal Friedhof, wurde aber wahrscheinlich zwischen 1860 und 1870 an den heutigen Platz neben dem kath. Friedhof an die Sottrumer Straße verlagert. Beim Bau des Lutherhauses 1955 ist man auf Überreste von Gräbern gestossen. Die Rasenfläche südlich des Kirchenschiffes war früher Schulhof der angrenzenden evangelischen Schule und später Spielplatz.

Foto: südlicher Kirchhof als Schulhof - Anfang der 1960er (Foto H. König)

 

Auszüge aus der Chronik von Ernst Jahn (Kommentar sind in blauer Schrift hinzugefügt)

Im Folgenden gebe ich noch Auszüge aus der Chronik von Lehrer Ernst Jahn wieder, die er ab Sommer 1952 verfasst hat. Ich möchte darauf hinweisen, dass inbesondere die Baugeschichte der Kirche von E. Jahn anders interpretiert wurde wie es oben verfasst zu lesen ist und dem in erster Linie die Ausarbeitung von Thilo Saueressig (Amt für Bau- und Kunstpflege Hildesheim der Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers) zugrunde liegt.

Über den Bau der Kirche und spätere Veränderungen ist nichts Schriftliches vorhanden. Fest steht aber, daß nach Einführung des Christentums in unserer Gegend (779) durch Karl den Großen zunächst 3 Kirchen im Ambergau errichtet wurden, und zwar in Holle, Bockenem und Seesen. Später stellte sich heraus, daß auch die einzelnen Gemeinden notwendig ein Gotteshaus brauchten. Deshalb bekamen sie zunächst eine kleine Kapelle. Diese wurde in Sottrum durch die Grafen von Wohldenberg erbaut; (vor 1300) denn damals gehörte fast aller Sottrumer Grundbesitz den Grafen. Sie sorgten aber nicht nur für den Bau der Kirche, sondern auch für die Errichtung der Pfarre und für deren Begütung. Wir wissen, daß damals kein Gehalt gezahlt wurde für die Pastoren, sondern sie mußten Naturalien haben, wovon sie lebten. Diese Naturalien entnahm der Pastor aus 4 Meierhöfen. Wo damals das Pfarrhaus gestanden hat, weiß niemand mehr. Es ist aber unschwer zu erkennen, daß die erbaute Kapelle der älteste Teil unserer Kirche ist. Das östliche Drittel hat ganz andere (kleinere) Steine als der spätere Teil. Diese Kapelle war niedriger als die heutige Kirche, (die spätere Erhöhung ist auch deutlich zu erkennen) hatte kleinere Fenster, war von 6 Pfeilern außen gestützt und mußte ihren Eingang von der westlichen Giebelseite her haben. Eine zugemauerte Tür wäre nämlich im Mauerwerk zu sehen. Als die Kirche verlängert wurde, störten die 2 Pfeiler auf der südlichen Seite und wurden auf der nördlichen Seite wieder aufgebaut. Die Abbruchstellen dieser beiden Pfeiler sind zu erkennen. Als die Kirche verlängert wurde, mußte sie auch etwas erhöht werden. Dies ist scheinbar mit den Steinen der weggefallenen Giebelseite der Kapelle geschehen.
Der Turm, heißt es, paßt mit seinem Baustil ins 11. Jahrhundert. Über ihn ist nichts bekannt. Es ist aber anzunehmen, daß er ursprünglich gar nicht als Kirchturm gebaut ist, sondern der Bevölkerung in den unsicheren Zeiten damals als Zufluchtstätte gedient hat, also ein Wehrturm war. Ob er schon an seiner heutigen Stelle stand, ist auch nicht gewiß; denn er ist auf die Giebelwand der Kirche aufgebaut. Vielleicht stand er neben der Kirche, etwa vor dem jetzigen Eingang. Ein Fundament von Turmgröße ist noch zu erkennen. Ebenso ist festzustellen, daß die heutige Eingangstür in die Mauer hineingebrochen ist. Vielleicht war sie ursprünglich als Eingang auf der Westseite. Durch den Vorbau des Turmes würde auch die übertriebene Länge der Kirche zu erklären sein. Ich (Ernst Jahn) mache darauf aufmerksam, daß es sich hier um meine Annahme handelt. Jedenfalls muß man durch Betrachtung des Mauerwerks und der vielen Veränderungen darin auf diese Schlüsse kommen. Im Turm befindet sich ein Gewölbe. Dieses wird wohl als vorübergehendes Gefängnis oft gedient haben; denn in den starken Türen sind noch die "Gucklöcher" zu erkennen.

Im Fuß des Steinkreuzes auf der Südseite des Turmes ist die Jahreszahl 1602 zu erkennen.
Als die Kirche 1952 außen neu gefugt wurde, fand ich ein Brett, daß die Maurer herausnahmen. Es hatte als Abstützung des Fensters gedient und zwar eines zugemauerten Fensters. Deutlich war an der Bemalung (rot und grün) zu erkennen, daß es vor seiner jetzigen Verwendung (also vor dem Erweiterungsbau) ein Teil der inneren Kirche gewesen war.

Eine ältere Einwohnerin (Frida Waldau) erzählte mir, daß sie in der Schule gelernt hätte, Nonnen vom Kloster Derneburg hätten den Erweiterungsbau gemacht.

Der alte Kirchenvorsteher Heinrich Bergmann wußte zu erzählen, daß die Steine der Kirche in der "Kämerke" gebrochen wären (die Kämerke oder auch Kämerken ist ein Stück Land zwischen der Feldwegverlängerung der Straße "Am Quellenberg" und der Straße zum Königsberg - deutlich zu erkennen sind dort heute noch zwei steile Abbruchhänge)

Der Dachreiter auf der Westseite des Turmes trägt die Jahreszahl 1730.

In der Kirche befinden sich zwei Fahnen. Rechts ist eine Erinnerungsfahne. Sie besteht aus rotem Tuch mit Gold bestickt. Auf der vorderen Seite ist eine Krone zu erkennen, auf die Rückseite ein Pferd. Auf beiden Seiten ist rundherum eine Inschrift. Sie lautet: DENKMAHL AUF DIE FEIER DES FRIEDENS. SOTTRUM DEN 24 JULI 1814.
Auch die Fahne links ist eine Erinnerungsfahne. Sie hat schwarzen Grund und roten Aufdruck. Der untere Teil ist abgerissen. Die Schrift lautet also nur: Erinnerung an ...

Will man auf den Kirchenboden, so muß man vom Turm aus durch ein in die Wand gebrochenes Loch. Auch ein Beweis, daß der Turm später erst an die westliche Giebelseite der Kirche gebaut ist.

Auf dem Kirchenboden lagen eine Reihe zerschlagener sogenannter Gedächnisbretter. Es herrschte also damals die Mode, daß man beim Tode eines Familenangehörigen ein solches Gedächnisbrett anfertigen ließ. Es hatte ungefähr die Größe 40 x 80 cm. Es stand, oder besser, es hing aufrecht und war aus fein poliertem Holz. Die obere Hälfte bestand meistens aus einem aufgesetztem Kasten, vorn mit einer Glasscheibe versehen. Darunter befand sich auf weißer Seide ein Kranz, eine Blume oder ein anderes Zierrat. Unter dem Kasten stand eine Inschrift, die auf den Toten hindeutete. Diese Bretter wurden in der Kirche aufgehängt. Sie müssen wohl später gestört haben, sodaß man sie auf den Kirchenboden brachte. Dort sind sie nach und nach zerschlagen.

1917
Abgabe der Orgelpfeifen

1918
Abgabe von zwei Glocken.
Um dem Vaterland in Form von Kriegsmaterial zu dienen, wurde am 25. Juli 1918 die 2. Läuteglocke - Gewicht 453 kg - von "a" abgenommen und nach der Sammelstelle, Weule, Bockenem, gebracht. Die kleine, im Turmvorbau hängende, ebenfalls aus Bronze bestehende Schlagglocke, folgte ihr 8 Tage später. Am 8. Sonntag nach Trin. wurde von beiden im Gottesdienst feierlich Abschied genommen. Predigttext: Ps 60.v.8.
Zur großen Freude aller kehrte die Läuteglocke nach hier - neu versehen mit einem Joch und Zugrad - Preis 410 M - zurück. Charfreitag 1919 ließ sie ihren freudigen Ruf wieder erschallen. Ihre Ankunft wurde auf Grund des Textes 1. Dam. 25.35 im Festgottesdienst festlich begrüßt. Die kleine Glocke kehrte nicht zurück. Sie maß im Durchmesser 58 cm, wog 115 kg und wurde mit 517,50 entschädigt. Sie trug in lateinischen Großbuchstaben die von Riemchen eingefaßte Haubeninschrift: Gegossen von Christoph Aug. Becker in Hildesheim 1797. Am langen Felde stand beiderseits ein kleiner Engel. Der Schlagring war schmucklos. An ihre Stelle trat im Herbst desselben Jahres eine schmucklose Stahlgußglocke, geliefert von der Fabrik Weule, Bockenem. Die große Glocke war wegen ihres Alters - 1500 (1526) gegossen - von der Beschlagnahme u. Abgabe befreit

1920
Bei einem schweren Gewitter am 17. Mai 1929 traf der Blitzstrahl den Turm der hiesigen Kirche. Der Blitz fuhr an der Wetterfahne entlang, zersplitterte einen großen Eichenbalken, und deckte an der Westseite einen Teil des Schieferdaches ab.

1946
Die 2. Läuteglocke mußte wie im 1. Weltkrieg auch im 2. Weltkrieg die Reise antreten zum Einschmelzen für Kanonenrohre. Auch diesmal hatte sie Glück. Als der Krieg beendet war, stand sie mit vielen tausend anderen Glocken in Hamburg und konnte wieder zurückgegeben werden. 1946 erschall ihr Geläut wieder vom Turme.

1947
Pastor Witte war zugleich auch Leiter der Zentralstelle Nordwestdeutschlands der Leipziger Mission. Im Oktober kam unser jetziger Pastor Birth nach Hackenstedt. Die Zentralstelle blieb in Sottrum und wurde von Missionspfarrer Blümel besetzt, der 1951 nach Holle zog. Hier in Sottrum war sein Büro im Hause Nr. 25 (jetzt Wasserstraße 20).
Durch diese Zentralstelle rückte Sottrum etwas mehr in den Mittelpunkt kirchlichen Geschehens. Zum Beispiel wurden hier die zurückkehrenden Missionare begrüßt. Zu diesem Zwecke erschien auch der Landesbischof Marahrens, den wir vielleicht sonst in unserer Kirche nicht zu sehen bekommen hätten. Ich hatte die hohe Ehre, ihn in meiner Wohnung begrüßen zu können und mich länger mit ihm zu unterhalten.

Mai 1952
Durch die Beerdigung des Ziegeleibesitzers Aug. Steding hatte sich gezeigt, daß sich in seinem Erbbegräbnis Wasser gesammelt hatte. Zu diesem Zwecke ließ sein Bruder R. Steding einen Röhrenstrang legen, der das Wasser in den Straßengraben ableitete. Bei dieser Gelegenheit wurde unser Friedhof mit Wasserleitung versehen. Der Graben an der Landstraße wurde zugeschüttet. Der Hauptweg des Friedhofs wird mit Kohlenasche ausgelegt.

Juni 1952
Der Turm unserer Kirche, insbesondere der Schieferbehang ist in letzter Zeit immer schadhafter geworden. So beschloß die Gemeinde, als ein Zuschuß vom Landeskirchenamt sicher war, und die Ziegel in freundlicher Weise vom Ziegeleibesitzer, Herrn R. Steding, gestiftet wurden, an diese Arbeit heranzugehen. Am 10. Juni kamen Maurer und Dachdecker und errichteten in Gemeinschaftsarbeit das Gerüst. Es dauerte 2 Tage. Dann wurde das Dach gedeckt. Die Wetterfahne war auch schadhaft und zum Teil durchgerostet. Es wurde vom Klempnermeister Burtchen, Hackenstedt ein neuer Knauf und die Bekleidung unter dem Knauf angefertigt. In der Schmiede der Ziegelei wurde die Fahne (Teil mit Inschrift) neu gemacht und die alte Jahreszahl 1900 wieder eingestanzt mit der Ergänzung "erneuert 1952". Im Knauf fand man eine Flasche mit 2 Urkunden. (Urkunde und Nachricht) Diese wurde in den neuen Knauf wieder hineingetan und eine weitere Urkunde hinzugefügt. Nachfolgend ist der Inhalt der Urkunde aufgeschrieben.

Der Turm wurde neu gefugt. Dies Gefiel sehr, sodaß die Kirchengemeinde dasselbe auch mit der Südseite des Kircheschiffes vornehmen ließ. Kostenpunkt 1000 M. Turm kostet ungefähr 2000 M.

Abschrift der Urkunde von St. Michael 1900

Am Tage St. Michael 1900 anno Domini ward ich auf diesem Kirchturm gesetzt. Nachdem ich in mich aufgenommen alle die, welche an diesem Orte zuletzt Orts- und Kirchenvorsteher, Pastor und Küster waren.

Möge Gott uns diese alle bewahren
vor Blitz und Sturm und anderen Gefahren,
daß wir lange weisen zum Himmel hin
der Ortsbewohner gottesfürchtigen Sinn.

Der Kirchenvorstand von Sottrum:

gez. W. Dreyer, Pastor
H. Bergmann
H. Brinkmann
H. Binder
A. Bolm

(Kirchensiegel von Sottrum)

Der Gemeindevorstand:

H. Strueß, Gemeindevorsteher
H. Bock, Beigeordneter
H. Brinkmann, Beigeordneter

(Siegel der Gemeinde Sottrum)

Die beigefügten Nachrichten haben folgenden Wortlaut:

In der Gemeinde sind zur Zeit 451 Einwohner, 348 Evangelische und 103 Katholiken.
Die Aufbringung des Knaufes geschah am letzten Tage der Amtsführung des Pastor Dreyer, welcher von März 1868 bis heute hier amtierte.
Der Knauf ist angefertigt vom Schlossermeister Klug, Holle, und aufgebracht vom Dachdeckermeister Bastian hierselbst.
Kornpreise waren: Weizen 3,70 M, Roggen 3,70 M, Gerste 4,- M, Hafer 3,40 M pro
In der evang. Schule waren 70 Kinder, 33 Knaben und 37 Mädchen. Papier und unlöschbare Tinte lieferte der Buchhändler Helenke in Hildesheim.
In diesem Jahr kämpften 30000 Deutsche in Gemeinschaft mit den Truppen alle europäischen Staaten unter der Führung des Grafen Waldersee in China, um den (Raub) Mord der Christen zu rächen.

Diese Nachricht wurde aufgeschrieben von Fr. Schramme, Lehrer, Küster u. Organist

Der Gemeindevorstand :

H. Strueß, Gemeindevorsteher
H. Bock, Beigeordneter
H. Brinkmann, Beigeordneter

(Siegel der Gemeinde Sottrum)

Auf der Urkunde, die neu hinzu kam, steht folgendes:

Um Johanni Anno Domini 1952 erhielt der Turm ein neues Ziegeldach.
Die Ziegelsteine stiftete Herr Ziegeleibesitzer Richard Steding, Sottrum. Die Baukosten trug die politische Gemeinde unter Beihilfe des ev. luth. Landeskirchenamtes Hannover.
Die Dachdeckerarbeiten führte Dachdeckermeister Hermann Sackmann aus Sottrum durch. Das Gerüst wurde in Gemeinschaftsarbeit mit dem Baugeschäft Gebr. Siebke, Hackenstedt, unter Leitung von Maurermeister Wilhelm Siebke errichtet. Durch Baugeschäft Siebke wurde das gesamte schadhafte Außenmauerwerk des Turmes sowie der Südwand des Kirchenschiffes vom alten Verputz gereinigt und neu ausgefugt. Die Wetterfahne wurde durch Ziegeleibesitzer H. Steding Sottrum und durch Klempnermeister Paul Burtchen, Hackenstedt instand gesetzt.

Die Wiederherstellung des Turmes besorgte die polit. Gemeinde, die Instandhaltung des Kirchenschiffes die ev. luth. Gemeinde zu Sottrum.

Die Mitglieder des ev. luth. Kirchenvorstandes waren:

Paul Birth, Pastor und Vorsitzender, Hackenstedt

Heinrich Bergmann, Sottrum Nr. 9
Heinrich Hache, Sottrum Nr. 52
Robert Heverhagen, Sottrum Nr. 33
Alfr. Lange, Sottrum Nr. 99
Ernst Palandt, Sottrum Nr. 27

Die Mitglieder des Gemeinderates waren:

Heinrich Niehoff, Bürgermeister und Gemeindedirektor, Sottrum Nr. 11
Heinrich Koch, stellvertr. Bürgermeister, Sottrum Nr. 64
Otto Bergmann, Sottrum Nr. 42
Karl Beuger, Sottrum Nr. 74
Max Enzesberger, Sottrum Nr. 44
Herbert Hilbig, Sottrum Nr. 49
Wilh. Krumfuß, Sottrum Nr. 1
Roman Liehsowski, Sottrum Nr. 103
Richard Steding, Sottrum Nr. 79
Friedrich Struß, Sottrum Nr. 36

Als Lehrer und Organist amtierte Lehrer Ernst Jahn
Als zweiter Lehrer (ev.) Rudolf Rattay, Vertriebener aus Ostpr.
Als kath. Lehrer Theodor Himstedt,
als Küster an der ev. Kirche Heinrich Heise.

Ach Gott, du treuer Menschenhüter, wend ab, bösen schnellen Tod. Schütze unser Haus und Güter vor Raub, Brand und aller Not. Deine Lust ist insgemein gnädig und barmherzig sein. Ach Gott laß Gnade finden, alle Not zu überwinden.
Kyrieleis

für den Kirchenvorstand     Birth     Pastor     (Siegel)

für den Gemeinderat     Niehoff     Bürgermeister     (Siegel)

Auf der Rückseite des Schreibens steht:

Nachrichten

In der Gemeinde Sottrum lebten zu Beginn des Jahres 1952 1047 Einwohner. 742 evang. luth., 301 röm. kath., 4 Andersgläubige (1 Adventist, 2 neuapostolische, 1 ohne)
Etwa die Hälfte der Einwohner sind Ostvertriebene.
Die gesamte Schülerzahl betrug Johanni 1952 = 146, 73 Knaben und 73 Mädchen. Von den Schülern waren 106 evang. luth. und 40 röm. kath. Von den 106 ev. Kindern waren 53 Knaben und 20 Mädchen.
Von der Gesamtschülerzahl waren Kinder von Ostvertriebenen 75, 41 Knaben und 34 Mädchen.

Die Kornpreise waren: 100 kg Weizen - 43,50 DM, 100 kg Roggen - 39,90 DM, 100 kg Gerste (Futter) - 37,50 DM, 100 Gerste (Industrie) - 39,50 DM.

Seit dem Jahr 1945/46 ist die Einwohnerzahl der Gemeinde durch Zuzug von Ausgebombten aus Hildesheim und Hannover, insonderheit durch Aufnahme der Gewalt vertriebenen Deutschen aus dem Osten und durch Bevölkerungszunahme verdoppelt. Die Heimatvertriebenen kommen vor allem aus Schlesien, ferner aus Pommern, Ostpreußen, Westpreußen Wartheland, Lettland, Bessarabien.

Trotz Wohnungsnot, Teurung, Arbeitslosigkeit und anderer Schwierigkeiten der Nachkriegszeit ist das wirtschaftliche Leben in Gang gekommen. Von den 186 Arbeiter und Angestellten der Ziegelwerke H. Steding im Werk Sottrum sind allein 106 Einwohner, Einheimische und Vertriebene aus Sottrum beschäftigt.

Im 2. Weltkrieg fielen aus der Gemeinde Sottrum 17 Männer, 14 der ev. luth., 3. aus der kath. Gemeinde. 1 Frau und 3 Kinder kamen durch Bombenangriff ums Leben. Von den Vermißten, einschl. der Vertriebene, sind 10 noch nicht heimgekehrt, in russischer Kriegsgefangenschaft befindet sich noch einer, von dem Nachricht vorliegt.

In den Nachkriegsjahren konnten bereits 8 Neubauten, darunter mehrere große Wohnhäuser, errichtet werden

Diese Nachricht wurde aufgeschrieben von dem derzeitig seit dem 1. Oktober 1947 in der Gemeinde amtierenden Pastor von Hackenstedt und Sottrum.

Sottrum, den 25. Juni 1952

Birth     Pastor      (Siegel)

Niehoff     Bürgermeister     (Siegel)

Soli DEO. Gloria

 

4.7.1952
Der stellvertretende indische Bischof Duraikan ist aus Indien zu dem großen Kirchtreffen in Hannover gekommen. Auch in unserer Kirche fand ein Abendgottesdienst mit ihm statt. Er erzählte in engl. Sprache von den Verhältnissen in Indien. Am folgenden Sonntag (6.7.52) zum Missionsfest war er ebenfalls auf dem Wohldenberg, wo ihm in feierlicher Form (Posaunenchor Hackenstedt u. Kirchchor Sottrum) eine kleine Glocke für seine indische Kirche übergeben wurde.

November 1953
Kirche bekommt einen Schornstein.

 

Das Lutherhaus

Die Notwendigkeit, ein eigenes Gemeindehaus zu besitzen, hatte sich schon lange herausgestellt. Bis jetzt wurden Veranstaltungen der Kirche (Jugendabende, Kirchenchor-Übungsabende und Zusammenkünfte der Frauenhilfe) in der linken Stube des Bauern Otto Bergmann Nr. 42 (jetzt Im Winkel 4) durchgeführt. Endlich ist soweit. Begeistert griff die ev. Jugend zum Spaten und half ausschachten. Am 19. Juni 1955 am Tage der Kirchenvisitation durch Superintendent Grotjahn, Bockenem, wurde die Grundsteinlegung feierlich begangen.

 

Der Friedhof

befand sich nach Einführung des Christentums natürlich bei der Kirche. Es war ja der "Kirchhof". So auch in Sottrum. Die "Alten" können sich noch sehr gut an diesen Friedhof erinnern, als überall die Denkmäler standen. Und wenn ich oft zu Lebzeiten meines Nachbars Heinrich Hillebrand an schönen Sommerabenden mit ihm auf der Bank saß, dann erzählte er aus früheren Jahren. Er kannte fast jedes Grab des alten Friedhofs und seine genaue Lage. So auch die Grabstätte des Ehepaars Lehrer Palandt an der Südoststrecke der Kirche. Unter dem Sakristeifenster wurde einmal der Pächter der Herrenmühle begraben. Es war so fürchterlich heiß, daß es die Leute vor Gestank nicht aushalten konnten. Der Pastor ging während seiner Leichenrede immer mehr vom Grabe zurück.

Schon vor dem Krieg 1870/71 wurde der neue Friedhof eingerichtet neben dem kath. Friedhof. Später wurden die Gräber eingeebnet und Gras ausgesät und Bäume gepfanzt. Der Lehrer und Organist bekam diesen Obstgarten.

 

Die folgende Erweiterung zur Friedhofskapelle wurde vermutlich nicht von Ernst Jahn geschrieben. Evtl. wurden die Absätze von Wilhelm Meistering nachgetragen. Meistering war Bürgermeister/Gemeindevorsteher in den 1964 bis 1972.

Die Friedhofskapelle

Der Plan, eine Friedhofskapelle zu errichten bestand schon lange. Aber erst die Klärung der Grundstücksfrage gab im letzte Jahr die Entscheidung. Man einigte sich auf ein Grundstück, das je zur Hälfte der Klosterkammer bzw. der ev. Kirchengemeinde gehörte, so daß die Kapelle auf der Grenze der beiden Friedhöfe gebaut wurde. Im August 1966 wurde mit den Arbeiten begonnen, deren Kosten im Voranschlag auf 50000 DM berechnet waren. Bauträger war die politische Gemeinde. Am Sonntag, 26. Februar 1967 um 14 Uhr fand die Einweihung statt unter reger Anteilnahme der Einwohner. Verschönt wurde die Feier durch Darbietungen des Posaunenchors unter Leitung von Fritz Engwicht und des Gesangvereins unter Leitung von Karl Reuter. Architekt Karl Winkeler vom Amt für kirchliche Bau- und Kunstpflege dankte für die gute Zusammenarbeit beim Bau der Kapelle und übergab symbolisch den Schlüssel an Bürgermeister und Gemeindedirektor Wilhelm Meistering, der auf die Baugeschichte einging und vor allem denen herzlichsten Dank sagte, die durch Geld- und Sachspenden oder sonstige Hilfe zum Gelingen des Werkes beigetragen hatten. Bar gespendet waren bis zu diesem Tage 11018 DM. Von den beiden Kirchengemeinden werden noch Beihilfen erwartet. Nach der Eröffnung sprachen in der Kapelle Pfarrer Welzel für die kath. Gemeinde Sottrum, Pastor Rehkopf aus Hackenstedt für die ev. luth. Gemeinde Sottrum und Landrat Kurt Grobe.

 

 

Quellen:
Thilo Saueressig, Amt für Bau- und Kunstpflege Hildesheim der Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers, Dendrochronologische Baualtersbestimmung / Baugeschichte der Kirche, 2009
Fritz Garbe, Rings um den Könisgberg, Gebr. Gerstenberg Hildesheim, 1954
Manfred Binder, Sottrum, Ortssippenbuch, Auszug aus den evangelischen Kirchenbüchern, Papierfligerverlang Clausthal-Zellerfeld, 2013
Ernst Jahn, Chronik der Gemeinde Sottrum, 1952

 

Detlef Adelhelm

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